Aus der Filterblase befreien

Deutschland sieht sich gern als Motor von Europa. Als eine treibende Kraft der Weltbühne. Wir stehen für Qualitätsprodukte, Exportstärke, Ordnung und Eigenständigkeit. Dabei sind wir von Gütern mancher Länder so abhängig wie ein Junkie von seinem nächsten Schuss.

Wir leben in einem Land mit wenigen Rohstoffen. Ohne Importe würde die Gesellschaft wie wir sie kennen in kurzer Zeit zerbröseln. Unseren Energiebedarf können wir zu 30 Prozent selbst decken, durch Braunkohle und Erneuerbare.

70 Prozent werden in Form von Mineralöl, Naturgas und Steinkohle aus verschiedenen Nationen eingekauft. Vieles davon kommt aus Russland, Libyen und anderen Drittländern.

Wir nutzen Energie hauptsächlich für Wärme, Licht und Kühlung. Wir brauchen sie um Fahrzeuge, Maschinen, Computer und Smartphones zu betreiben.

Stellen Sie sich für einen Moment vor, wie unser Leben ohne Treibstoff und mit nur 30 Prozent der heute verfügbaren Energie aussehen würde. Wer möchte in diesem Deutschland gerne leben?

Welche Produkte könnten wir herstellen? Und bedenken Sie dabei: Metalle und Mineralien für die Industrie besitzen wir auch kaum. Auf was müssten wir im Vergleich zu heute alles verzichten?

Diese Zahlen sind kein Geheimnis. Fragen Sie die Suchmaschine Ihrer Wahl nach »energiedaten bmwk« und sehen Sie selbst. Das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz stellt die Informationen aufbereitet zur Verfügung.

Wir sind in hohem Maße von anderen Staaten abhängig. Das ist keine Meinung sondern Fakt. Aber warum perlt diese Tatsache an unserem Selbstbild ab wie Wassertropfen an Teflon?

Wir haben uns dazu entschieden, sie nicht wahrzunehmen. Wir wollen an unsere Unabhängigkeit glauben und blenden aus, was dagegen spricht.

Das ist eine von vielen kognitiven Verzerrungen, die in unserem Verstand verankert sind. Sie heißt »Confirmation Bias«. Und wir alle sind anfällig dafür.

Wir suchen unbewusst nach Informationen, die unsere Ansichten bestätigen. Unternehmen, Parteien, Online-Communities, Vereine, Kirchen, Nationen sind nichts weiter als Gruppen von Individuen. Jede für sich eine eigene potenzielle Filterblase.

Dort verstärkt sich nur die vorherrschende Meinung. Was zu den Werten und Ideologien passt bleibt, der Rest wird ausgegrenzt. Es bilden sich klare Pole: Richtig und Falsch, Freund und Feind. Die Welt wird zur Illusion.

Gegenmittel bestehen: Die Fähigkeit, die Perspektive zu wechseln. Die eigenen Annahmen und Vorurteile immer wieder infrage stellen. Eigenständig urteilen, anstatt den Konsens wiederzugeben. Leicht ist davon nichts.

Wir ticken nach einem gewissen Muster. Das können wir nicht ändern. Aber wir können entscheiden, wie wir mit neuen Erkenntnissen umgehen.

Verwerfen wir sie, wenn sie unserem Weltbild nicht entsprechen? Oder versuchen wir sie neutral zu bewerten? Passen wir unsere Sichtweise an, wenn sich die Fakten ändern oder halten wir an Mythen fest?